Hazardeure im Amt: Riskantes Planen in der „Hochwasserhauptstadt”
“Innen-Entwicklung Heidelweg” — ein Alptraum?
Öffentliche Vorstellung von Bauplänen — Fortsetzung der NEWS vom 27.11.2012
Vorgeschichte: Im Amtsblatt vom 21.11.2012 wurde vermeldet (Arbeitstitel: „Innenentwicklung Heidelweg“ in Köln-Sürth) »
Der Stadtentwicklungsausschuss hat in seiner Sitzung am 8. November 2012 unter anderem folgenden Beschluss gefasst: Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 2 Absatz 1 Baugesetzbuch für die Grundstücke Heidelweg 22 bis 28 sowie Sürther Hauptstraße 227, 235 und 237 in Köln-Sürth.
Ziel der Planung ist es, eine Wohnbebauung im Blockinnenbereich festzusetzen.
Köln, den 13. November 2012
Der Oberbürgermeister, in Vertretung gez. Franz-Josef Höing, Beigeordneter
[Die BI Hochwasser hatte Ende November 2012 darüber berichtet: s.o.]
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Aktuell (am 14. November 2013) wurden nach nur einwöchiger (!) Einladungsfrist in Sürth mehrere Planungsvarianten vorgestellt.
Der Planbereich hat sich verändert, weil inzwischen schon einige Bebauungen stattgefunden haben (ohne B‑Plan?) und auch sonst sich offensichtlich im Hintergrund einiges getan hat…
Auch die Welt hat sich inzwischen wieder etwas verändert:
- Im Juni führt eine ungewöhnliche Wetterlage nach einem feuchten Frühjahr zu Hochwässern in Donau und Elbe mit Deichbrüchen und Überflutungen. Teilweise werden Wasserstände gemessen wie noch nie in den Aufzeichnungen. Der Schaden übersteigt zehn Milliarden Euro. Die BI Hochwasser initiiert einen Kölner Aufruf zur Neubesinnung der Risikostrategie am Rhein.
- Anfang September beschließt eine Sonderkonferenz der Umweltminister in Berlin ein nationales Hochwasserschutzprogramm und fordert, das „Schadenspotential in allen überflutungsgefährdeten Gebieten, also auch hinter den Hochwasserschutzanlagen, so klein wie möglich“ zu halten.
- Ende September bekräftigt der UNO-Klimarat IPCC seine bisherigen Prognosen zum Klimawandel; besonders wichtig für Köln: Im Rahmen der Verschiebung der Klimazonen wird es in mittleren Breiten (also auch Deutschland) mehr Starkregen geben.
- Im Oktober veröffentlicht die Landesregierung neue Gefahrenkarten zum Hochwasser; wie von der EU gefordert auch für „seltene“ Ereignisse (ein statistisch einmal in 1000 Jahren auftretendes Hochwasser).
Und?
Was bedeutet das alles für die Kölner Stadtpolitik? Offenbar gar nichts!
Es wird weiter leichtfertig geplant und das Schadenpotential kräftig vergrößert – wie schon immer.
Et kütt wie et kütt eben…
In der neuen Gefahrenkarte (Kategorie “seltenes Ereignis”) sieht das Gelände bei Überströmen des Hochwasserschutzes von 1130cm KP jetzt noch weniger gut aus (siehe Bild oben)…
Wenn überhaupt noch geplant werden muß, müßten mindestens folgende Aspekte beim Hochwasser berücksichtigt werden:
1. Auf allen Flächen unter den Gebäuden erreicht bei HQ100 das Grundhochwasser kritische Werte. Dabei müssen vorläufig die theoretischen Werte für 1190 cm KP herangezogen werden, weil für 1130 (tatsächliche Schutzhöhe) die Berechnungen noch ausstehen. Im Fall einer Bebauung müssen also entsprechende Schutzmaßnahmen gegen Grundwasserschäden und Auftrieb (weiße Wanne, Ballastierung) ergriffen werden.
2. Will man wenigstens eine relative “Sicherheit” wie im Kölner Norden oder in Deutz/Kalk/Mülheim haben (HQ200), müssten die Erdgeschoßböden ca. 1 m bis 1,50 m über der Geländehöhe liegen, was bei festliegender Firsthöhe Gewinneinbußen bedeutet. In der Regel war das für Investoren kein Thema; sie haben ihre „Verbindungen“ (oder ignorieren die Ratschläge) und verkaufen angeblich „hochwasserfreie“ Immobilien.
3. Alternative Aufschüttung des Geländes ist hochwasserpolitisch hochgradig asozial. Kein Hinderungsgrund für die Verwaltung, das in anderen Fällen zu verfügen (Beispiel „Hinter Hoven“ in Porz-Langel). Und der Rat schaut zu…
Vorsorge würde heißen: Wenn schon Bauen, dann Bauen auf Stelzen (= Raum für den Fluß) und risikomindernde Nutzung.
Zusätzliche allgemeine Hinweise:
Ein Bebauungsplan würde dem zwischen den Parteien ausgehandelten Prinzip der Verdichtung locker bebauter Bereiche folgen und Freiraum vernichten (daher beschönigend „Innenentwicklung“ genannt). Das kann man in Ordnung finden, muß aber langfristige Entwicklungen wie Klimawandelfolgen (Hochwasser, urbane Hitzeinseln) ausklammern.
Schon komisch, wenn ausgerechnet die Grünen das tun.
Faktisch ist das Risiko-Gelände kein festgesetztes Überschwemmungsgebiet (ÜG) – das liegt in Köln vor dem Deich; damit steht einer Bebauung wasserrechtlich nichts im Wege (WasserHaushaltsGesetz).
Andererseits:
Das Baugesetzbuch sieht inzwischen eine Reihe von Vorkehrungen vor (Berücksichtigung des Hochwasserschutzes), die in den §§ 5 und 9 näher beschrieben werden. Das betrifft insbesondere
- bauliche Vorkehrungen oder Sicherungen gegen Naturgewalten,
- Kennzeichnung von Risikogebieten (§ 73(1) Satz 1 = Gebiete mit signifikantem Hochwasserrisiko)
Das ist im wesentlichen Pflicht seit 2005. Die Stadt Köln ist dem bisher nicht nachgekommen.
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[Anmerkung TK]: Allerdings bin ich kein Jurist. Ich halte es für durchaus möglich, daß besagte Vorkehrungen zwar Pflicht sind, aber sich bisher keine Landesregierung darum gekümmert hat oder die Bezirksregierungen beide Augen zudrücken oder schlicht vergessen wurde, den Kommunen Fristen zu setzen…
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In neueren Kölner Bebauungsplänen sind in den letzten Jahren auf Betreiben der StEB*) (doch nicht in allen Fällen) Risiken „nachrichtlich“ erwähnt und dann bestimmte bauliche Vorkehrungen empfohlen worden. Meist sind diese nicht verbindlich, so daß vermutet werden darf, sie dienten nur der Absicherung vor Schadenersatzansprüchen im Hochwasserfall.
Die Konsequenzen einer Einwohner-Verdichtung für den Katastrophenfall werden von der Stadt ignoriert.
Bei dem konkreten Vorhaben in Sürth würden im Überflutungsfall
- eine noch größere Zahl von Bewohnern in eine Insellage geraten, die ggf. zusätzlich per Boot versorgt oder evakuiert werden müssen und
- es würden erheblich mehr Schäden entstehen als vorher.
Das steht im Widerspruch zum Aktionsplan Hochwasser der IKSR (Internationale Kommission zum Schutz des Rheins), demzufolge bis 2020 das Schadenpotential hinterm Deich um 25% gesenkt werden soll, nicht erhöht!. Das gilt auch für Umweltschäden (Ölheizungen!).
Somit verschlechtert sich die Qualität der Nothilfe für den Einzelnen und die Risiken steigen unkalkulierbar an.
Fazit: Das ist alles andere als eine vorsorgende und nachhaltige Politik.
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*) [TK]: In meiner Zeit als Bezirksvertreter (1999 – 2008) habe auch ich immer wieder darauf bestanden, die Bebauungspläne im Stadtbezirk 2 entsprechend abzuändern. Hier konnte ich auf Unterstützung von Seiten der Hochwasserschutzzentrale (Reinhard Vogt) vertrauen. Der Widerstand des Stadtplanungsamtes war anfänglich hartnäckig, hat aber auch zu vereinzeltem Nachgeben geführt. Die alternativ empfohlene Anhebung (Aufschüttung) des Geländes ist aber — wie beschrieben — auch keine Lösung.
Eine (erhoffte) Routine der angemessenen Berücksichtigung des Risikos hat sich nicht entwickelt. Wie man an den neuen Plänen für den Heidelweg sieht.
q.e.d.