Start­sei­te » Sind die Kom­mu­nen vorbereitet?

Sind die Kom­mu­nen vorbereitet?

Jul 18, 2021 | Hoch­was­ser, Kata­stro­phen­schutz, Pres­se & Öffentlichkeit

Land unter in Köln: Das Pro­blem­be­wusst­sein der Städ­te und Gemein­den, was Hoch­was­ser und Stark­re­gen angeht, ist unter­schied­lich, abhän­gig vom Grad der bis­he­ri­gen Betroffenheit. 

Ein Gast­bei­trag von Rein­hard (Riku) Vogt,

dem frü­he­ren Lei­ter der Hoch­was­ser­schutz­zen­tra­le Köln, für die Zeit­schrift “Der Gemein­de­rat 04/21”

Stark­re­gen, über die Ufer tre­ten­de Flüs­se und Grund­hoch­was­ser: Die­se Pro­ble­me tre­ten durch den Kli­ma­wan­del häu­fi­ger auf. Vor­aus­schau­en­de Bau­pla­nung, Schutz­wän­de und Not­fall­plä­ne kön­nen Kata­stro­phen verhindern.

Die Hoch­was­ser- und Stark­re­gen­vor-sor­ge ist für häu­fi­ge Hochwasser­ereignisse teil­wei­se vor­han­den, doch oft schon für mitt­le­re Ereig­nis­se nicht aus­rei­chend und nach­hal­tig. Auf extre­me Nie­der­schlä­ge oder sel­te­ne Hoch­was­ser sind die wenigs­ten Kom­mu­nen vorberei­tet. Das Pro­blem­be­wusst­sein der Städ­te und Gemein­den ist extrem unterschied­lich, Kennt­nis­se der Handlungsmöglich­keiten und ‑not­wen­dig­kei­ten sind abhän­gig vom Grad der bis­he­ri­gen Betroffenheit.

Dabei müss­te sich doch end­lich fach­übergreifend durch­set­zen, dass es einen gene­rel­len Schutz vor Stark­re­gen und Fluss­hoch­was­ser nicht gibt, es auch in schein­bar siche­ren Gebie­ten zu Überflu­tungsschäden kom­men kann und dass das grund­hoch­was­ser­be­ding­te Risi­ko nicht zu unter­schät­zen ist. Die Kli­ma­än­de­rung führt zu deut­lich häu­fi­ge­ren Ereig­nis­sen und extre­me­ren Abflüs­sen. Aber nicht nur die häu­fi­gen Wet­ter­ka­prio­len mit ergiebi­gen Stark­nie­der­schlä­gen, son­dern auch anthro­po­ge­ne Ein­grif­fe wie Begra­di­gung und Kana­li­sie­rung von Bächen und Flüs­sen, die zuneh­men­de Flä­chen­ver­sie­ge­lung von Grund­stü­cken sowie die Redu­zie­rung was­ser­rück­hal­ten­der Grün­flä­chen verur­sachen Hochwasser.

Dabei sind die Hoch­was­ser­vor­sor­ge und die not­wen­di­gen Maß­nah­men bei einem guten Zusam­men­wir­ken der verschiede­nen Fach­ge­bie­te in einer Kom­mu­ne so ein­fach und oft mit wenig Auf­wand und zu­sätzlichen Kos­ten erreich­bar. Das Risiko­bewusstsein muss durch eine per­ma­nen­te, offe­ne und inter­es­san­te Risikokommuni­kation in allen Berei­chen der Ver­wal­tung, in den poli­ti­schen Gre­mi­en und bei den Bür­gern geweckt und am Leben gehal­ten wer­den. Vie­le his­to­ri­sche Ereig­nis­se oder Fast-Ereig­nis­se sind schnell ver­ges­sen. Oft macht sich die „Hoch­was­ser­de­menz“ breit und man baut erneut in hochwasserge­fährdeten Gebieten.

GEFAH­REN ERKENNEN

In vie­len Berei­chen der Flächen‑, Bau‑, Ver­hal­tens- und Infor­ma­ti­ons­vor­sor­ge bis hin zum aktu­el­len Hoch­was­ser­ein­satz müs­sen sich alle Akteu­re über die unter­schiedlichsten Wege, Aktio­nen und Me­dien betei­li­gen. Grund­la­ge für alle Vor­­­sor­ge- und Schutz­maß­nah­men sind Ge­fahrenkarten bei Fluss­hoch­was­ser und Fließ­we­ge­kar­ten für Starkregenabflüsse.

Die kom­mu­na­le Bau­leit- und Freiraum­planung muss alle gefähr­de­ten Gebie­te, auch die hin­ter Schutz­an­la­gen, dar­stel­len, bei jeg­li­cher Pla­nung das The­ma Was­ser berück­sich­ti­gen und für eine standortge­rechte Flä­chen- und Boden­nut­zung sor­gen. Natür­li­che Reten­ti­ons­räu­me sind zu sichern, wie­der­her­zu­stel­len und von hoch­was­ser­sen­si­blen Nut­zun­gen und Be­bauung frei­zu­hal­ten. An Hoch­was­ser oder Stark­re­gen ange­pass­te Bau­wei­sen mit Erd­­ge­schoss-Fuß­bo­den­hö­hen deut­lich über dem hun­dert­jäh­ri­gen Hoch­was­ser­er­eig­nis und Fens­ter- oder Tür­öff­nun­gen mindes­tens 30 Zen­ti­me­ter über dem Gelän­de soll­ten selbst­ver­ständ­lich sein.

Die Aus­ge­stal­tung, Bemes­sung und Art des not­wen­di­gen bau­li­chen oder mobi­len Hoch­was­ser­schut­zes soll­te sich grundsätz­lich an den zu schüt­zen­den Nut­zun­gen und dem Scha­dens­po­ten­zi­al aus­rich­ten. Grün­flä­chen, Land­wirt­schaft, Sportanla­gen und Klein­gär­ten brau­chen kei­nen oder nur gerin­gen Schutz. Dage­gen brau­chen Kran­ken­häu­ser, Ver­sor­gungs­an­la­gen, Inf-rastruk­tur­an­la­gen, rele­van­te Wirtschafts­betriebe, Betrie­be und Anla­gen mit um­weltgefährdenden Stof­fen sehr viel Schutz. Berei­che, die zur Erhal­tung der Infrastruk­tur not­wen­dig sind oder von denen Um-welt­ka­ta­stro­phen aus­ge­hen kön­nen, soll­ten min­des­tens für ein zweihundertjähri­ges Hoch­was­ser geschützt sein. Die Bür­ger müs­sen von Anfang an in alle Über­le­gun­gen zum vor­beu­gen­den Hoch­was­ser- und Stark­re­gen­schutz ein­gebunden und an der Umset­zung aller Hoch­was­ser­schutz­maß­nah­men betei­ligt wer­den. So kann man ihre Inter­es­sen be­rücksichtigen und unnö­ti­ge Bauverzöge­rungen durch Ein­sprü­che und Kla­gen ver­meiden. Poten­zi­ell Betrof­fe­ne müs­sen mit der Gefähr­dung durch Stark­re­gen, Grund­hochwasser und Kanal­rück­stau ver­traut sein, um ent­spre­chend bau­li­che Eigenvor­sorge und effek­ti­ve Ver­hal­tens­vor­sor­ge zu betrei­ben. Der „Hoch­was­ser-Pass für Wohn­ge­bäu­de“ kann hier helfen.

JEMAND MUSS SICH KÜMMERN

Die Kom­mu­nen müs­sen Not­fall­plä­ne für häu­fi­ge bis extre­me Ereig­nis­se erstel­len und War­nung und Infor­ma­ti­on im Ereig­nisfall bereit­stel­len. Bür­ger­initia­ti­ven sind dabei wich­ti­ge Mul­ti­pli­ka­to­ren und kön­nen eine posi­ti­ve Ver­mitt­ler­rol­le zwi­schen Ver­wal­tung und Bür­gern ein­neh­men. Sie kön­nen Risi­ko­be­wusst­sein und Hochwas­servorsorge unter­stüt­zen sowie im Ereig­nisfall Nach­bar­schafts­hil­fe organisieren.

In den Gemei­den soll­te zur stän­di­gen fach­über­grei­fen­den wirk­sa­men Vor­sor­ge ein „Hoch­was­ser-Küm­me­rer“ eta­bliert wer­den, der abfluss­wirk­sa­me Maß­nah­men koor­di­niert, initi­iert und durch­zu­setzt. Die­se Stel­le könn­te die Alar­mie­rung und Ein­satz­pla­nung opti­mie­ren und Bürgerin­formationen über sozia­le Medi­en oder auf Info­ver­an­stal­tun­gen kommunizieren.

Da sich Hoch­was­ser- und Sturz­flu­ten nicht abschaf­fen las­sen, son­dern im Ge­genteil vor­aus­sicht­lich in den kom­men­den Jah­ren immer häu­fi­ger wer­den, könn­te die auf Natur­er­eig­nis­se gut vor­be­rei­te­te Gemein­de zukünf­tig ein Stand­ort­vor­teil sein. Eine hohe Sen­si­bi­li­tät und die An­passung an Hoch­was­ser sowie ande­re Na­turkatastrophen könn­ten neben einer op­timalen Pro­blem­be­wäl­ti­gung und einer gewis­sen Kata­stro­phen­re­sis­tenz Bestand­teil eines nach­hal­ti­gen kom­mu­na­len Leit­bildes der Zukunft sein. Rein­hard Vogt